SPD-Bundestagsfraktion: Umweltminister Röttgen handelt wahltaktisch

Die „unkonventionelle Erdgasförderung“, die auch als „Fracking“ bezeichnet wird, war am Donnerstag Gegenstand der Debatte im Bundestag. Bereits Anfang November 2011 hat die SPD-Fraktion ihren Antrag „Leitlinien für Transparenz und Umweltverträglichkeit bei der Förderung von unkonventionellem Erdgas“ in den Bundestag eingebracht. Er wurde jetzt von der schwarz-gelben Mehrheit abgelehnt.

Umweltminister Röttgen (CDU) blieb zwei Jahre lang untätig – und das trotz der massiven Verunsicherung der Bevölkerung in jenen Gebieten, die für das „Fracking“ erkundet oder schon erprobt werden sollen. Diese liegen vor allem in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen sowie in Thüringen, Baden-Württemberg und Bayern. Doch jetzt präsentierte er wieder eine seiner bekannten Kehrtwendungen, die spätestens seit den Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke und der auf öffentlichen Druck erfolgten Rückkehr zum Atomausstieg nach Fukushima bekannt sind. So gesehen bleibt sich Röttgen treu.

Röttgen wacht nach zwei Jahren wahlkampftaktisch auf

Das war schon skurril, was der Umweltminister in der Bundestagsdebatte zu den Oppositionsanträgen zum „Fracking“ bzw. zur unkonventionellen Förderung von Erdgas abgeliefert hat. Nachdem er und sein Ministerium in den vergangenen zwei Jahren nichts auf den Tisch gelegt haben, gab er sich nun ganz wahltaktisch als Beschützer der Bürgerinnen und Bürger und der Natur. Plötzlich gerierte sich Röttgen als Anwalt der Bürgerinnen und Bürger, die seit Monaten Sturm laufen gegen die Fracking-Vorhaben vor ihrer Haustür. Er bekannte sich zu Forderungen der SPD-Bundestagsfraktion, die seit November 2011 vorliegen, doch abgestimmt hat er dagegen. Ein leicht durchschaubares Manöver des CDU-Spitzenkandidaten in NRW.

„Der Minister hat Angst vor dem Wahlsonntag“, sagte der stellvertretende umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Frank Schwabe. Röttgen habe zwei Jahre Zeit gehabt einen Gesetzentwurf auf den Tisch zu legen. Er brauche nur den Anträgen der Oppositionsfraktionen zuzustimmen. Man müsse angesichts der Werbespots von Exxon Chemical auf der Hut sein, in denen behauptet würde, dass Fracking keine Risiken berge, stellte Schwabe klar.

Als Brückenenergieträger sei Erdgas zwar wichtig, doch Fracking dürfe es aus Sicht der SPD-Fraktion nur geben, wenn es umfangreiche Umweltverträglichkeitsprüfungen mit Bürgerbeteiligung gebe, so Schwabe. Was die CDU/CSU-Fraktion wolle, sei allenfalls eine Umweltverträglichkeitsprüfung light. Die Bürgerinnen und Bürger erlebten vielmehr, dass die Claims durch die Unternehmen bereits abgesteckt würden.

Röttgen hat verharmlost und verschleppt

Die Bundesregierung habe sich bislang nur durch Verharmlosung und Verschleppung hervor getan. So habe es in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage vom März 2011 geheißen, dass es bei Beachtung der Umweltauflagen keine wesentlichen Unterschiede zwischen Fracking und der konventionellen Förderung von Erdgas gebe. Doch nun plötzlich geben sich Röttgen und Wirtschaftsminister Rösler (FDP) skeptisch. Ankündigungsminister Röttgen, der die gesamte Energiewende „verkorkse“, nehme sich nun angeblich des Themas an. Und all das, nachdem ein Antrag der rot-grünen NRW-Landesregierung im Bundesrat und die Anträge der Opposition im Bundestag von Schwarz-Gelb abgelehnt wurden.

Dabei hatte Umweltminister Röttgen genug Zeit, um zu handeln. Aber der Nichtumweltminister hat nicht gehandelt und keine Verantwortung übernommen. Die CDU/CSU hatte vollmundig im August 2011 erklärt, eine Initiative in die Wege zu leiten. Doch nichts ist geschehen. Die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger wurden ignoriert. Die zuständigen Minister in der Bundesregierung Röttgen und Rösler (FDP) blieben untätig. Zwischenzeitlich wurden in NRW Erkundungs- und Erprobungsvorhaben gestoppt.

Die Anwendung der Fracking-Technologie brauche die Akzeptanz der Bevölkerung, so Frank Schwabe. Doch auch Wirtschaftsminister Rösler zeige sich borniert und ignorant. Ihm gehe es nur um: „Täuschen, Tricksen, Tarnen“, sagte Schwabe. Umwelt- und Wirtschaftsminister seien nicht in der Lage, ein Gesetz vorzulegen.

Hintergrund:

Was ist Fracking? Unterschiede zur konventionellen Gasförderung

Der Unterschied zur konventionellen Förderung von Erdgas ist, dass nicht einfach ein Gasfeld angebohrt werden kann und dann das Gas an die Erdoberfläche gefördert wird. Unkonventionelles Erdgas befindet sich in tiefen geologischen Schichten in Gesteinsporen. Im Gegensatz zu konventionellen Gasvorräten können diese nicht mit klassischen Techniken gefördert werden, bei denen das Gas ohne weitere technische Maßnahmen durch Eigendruck in ausreichender Menge frei einer Förderbohrung zuströmt.

Stattdessen müssen die Gesteinsformationen durch sogenanntes „Fracking" mit hohem hydraulischen Druck aufgebrochen werden, um zu erreichen, dass das Gas herausströmt. Dabei wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und chemischen Zusätzen unter hohem Druck in das Gestein gepresst. So entstehen Risse im Gestein, durch die das Gas zur Bohrleitung fließt und dann an der Oberfläche aufgefangen werden kann. Die Bohrungen führen meist durch Grundwasser leitende Schichten. Bevor das Erdgas herausströmt, wird das eingepresste Frackfluid (Gemisch aus Wasser und Chemikalien) nahezu vollständig zurückgepumpt. Der zurückbleibende Sand und die chemischen Zusätze halten die Risse offen. Bei der Förderung von unkonventionellem Erdgas können Chemikalien (0,5 bis ein Prozent) eingesetzt werden, die das Grund- und Trinkwasser gefährden können.

Besonders beunruhigend ist in diesem Zusammenhang, dass die eingesetzten Chemikalien der Mineralölkonzerne auch die Wasserschutzgefährdungsklasse drei erreichen – also hoch gefährlich sind.

Unsere Energieversorgung braucht Erdgas – noch!

Bis zu einer Vollversorgung durch erneuerbare Energien kann Deutschland auf die Nutzung von Erdgas als Brückentechnologie nicht verzichten. Hocheffiziente Gaskraftwerke sind eine unverzichtbare Brücke auf dem Weg hin zu einer vollständig auf erneuerbare Energien basierenden Energiewirtschaft. Heimische Lagerstätten leisten derzeit einen nennenswerten Anteil an der Versorgungsicherheit. Die Erschließung neuer Erdgasquellen muss möglich bleiben. Aber umweltverträglich geregelt werden.

Die Forderungen der SPD-Bundestagsfraktion

Bei Förderungsvorhaben, bei denen Fracking angewendet wird, muss/müssen

O transparent informiert und die Öffentlichkeit über die Vergabe von Erkundungslizenzen beteiligt werden.

O bis zum Abschluss eines neuen gesetzlichen Rahmens ein „Moratorium“ gelten, damit keine Fakten geschaffen werden können. Dieses „Moratorium“ soll so lange gelten, bis „Fracking-Methoden“ ohne den Einsatz giftiger Chemikalien, die zu einer schädlichen Veränderung des Grund- und Trinkwassers führen, zur Verfügung stehen.

O das Bergrecht dahingehend verändert werden, dass für alle Projekte für Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Dies hat zur Folge, dass für alle Projekte ein Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden muss. Gelten müssen diese Vorschriften für die Aufsuchung und die Gewinnung, da bereits bei Tiefbohrungen im Rahmen der Erkundung Umwelteinwirkungen eintreten können, wenn dabei Fracking-Maßnahmen unter Einsatz von Chemikalien zu Testzwecken durchgeführt werden.

O Regelungen getroffen werden, die eine Gefährdung des Grund- und Trinkwassers durch die eingesetzten Chemikalien verhindern.

O Fracking in sensiblen Gebieten wie zum Beispiel in Trinkwasser-Gewinnungsgebieten verboten werden.

O dafür Sorge getragen werden, dass zukünftig bei der Planfeststellung von Projekten mit unkonventionellem Erdgas grundsätzlich die Auswirkungen auf Grundwasser und Oberflächengewässer ein besonderes Gewicht bei allen Entscheidungen erhalten und die Wasserbehörden beteiligt werden.

O festgelegt werden, dass standardisierte Auflagen und Entsorgungspläne bezüglich der Lagerstättenwasser, Frack- und Abwässer aus den Produktionsstätten vorzulegen sind. Die beim Fracking anfallenden Abwässer wie Frackwasser oder Lagerstättenwasser müssen aufgefangen und fachgerecht aufbereitet werden.

O sich dafür eingesetzt werden, dass eintretende Schäden nicht von der Allgemeinheit getragen werden. Der Betreiber muss für sämtliche Schäden unbegrenzt haften und sich zur Begleichung möglicher Schäden durch Rückstellungen finanziell absichern.

O im Bundesberggesetz die Beteiligung von Betroffenen verbessert werden. Auch sollen die Gemeinden, in deren Gebiet das Bergwerksfeld liegt, von der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung oder Verleihung einer Bergbauberechtigung unterrichten werden.